Firmung 2025
- weitere Infos folgen im Oktober 2024
Einen Rückblick zum PFINGSTival könnt ihr hier lesen:
Warmherzig und lebensnah
Der Hamburger Journalist und Autor Sascha Krüger leitet einen Interview-Workshop auf dem „Pfingstival“ der Dekanate Hochsauerland-Ost und Waldeck. Gemeinsam mit den Jugendlichen ergründet er, was eine gute Frage ist, wie man bessere Antworten bekommt - und wie sehr diese Fragen oft mit einem selber zu tun haben. Das Ungewöhnliche daran: Er ist Agnostiker. Hier schildert er seine Eindrücke und Beobachtungen vom Pfingstival - als jemand, der „ja eigentlich nicht dazu gehört.“
Der Ursprung war die Musik. Seit einigen Jahren bin ich eng befreundet mit dem Dekanats-Seelsorger Jörg Willerscheidt. Er hat in etwa so lange ein Musikmagazin abonniert, wie ich für dieses Magazin schon als Redakteur und Autor tätig bin: knapp 30 Jahre. Jörg schrieb mir dereinst eine Mail, um mir einmal zu danken für all die guten Musiktipps, die ich ihm über die Jahre als Autor vermittelt hätte.
Bereits im vergangenen Jahr fragte Jörg mich sodann, ob ich mir vorstellen könnte, auf dem Pfingstival einen Workshop zum Thema „Interviews“ abzuhalten. Ich sagte ihm, dass ich dazu große Lust hätte - zumal ich mein Wissen generell gern an junge Menschen weitergebe -, dass ich da aber ein Problem sähe: Ich sei nun mal ein Agnostiker - das heißt, dass ich durchaus an eine höhere Macht und Kraft glaube, aber eben nicht im christlichen oder kirchlichen Sinne. Jörg erwiderte, das sei kein Problem: Beim Pfingstival, so wie er dies verstünde, gehe es doch vor allem darum, den Jugendlichen ein Gefühl von Spiritualität und dem Glauben an eine höhere Macht zu vermitteln. Dass dieser Glaube viele Gesichter haben könne und es letztlich doch spannend sei, den Jugendlichen noch einmal ganz andere Perspektiven zu vermitteln, wie man als Individuum den Kontakt zu höheren Mächten empfinden und definieren kann.
Ich fand das einen spannenden Ansatz und sah darin eine - so gebe ich zu - erstaunlich progressive Haltung für ein von den Kirche organisiertes Ereignis. Meine eigenen kirchlichen Erfahrungen als Jugendlicher waren nicht so offen und einladend, besonders jenen gegenüber, die sich als Skeptiker der Kirche erwiesen (was einen Hauptgrund für meinen Agnostizismus darstellt). Von daher sagte ich zu - und war gespannt darauf, was mich erwartet. Es war eine rundum gelungene Erfahrung, die Kids bei meinem Workshop waren sehr aufmerksam, das abendliche Beisammensein von Dekanats-Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und den Schutzbefohlenen sehr warm und herzlich.
Ich lernte viele interessante Menschen kennen und führte außerordentlich spannende Gespräche; darunter auch ein erstaunlich aufrichtiger Austausch mit Pastor Christian Laubhold, der sich über einen ganzen Abend erstreckte. Zu keinem einzigen Moment wurde mir das Gefühl gegeben, das ich (fälschlicherweise, wie ich sagen muss) über die ganze Zeit latent im Herzen trug: Ich gehöre doch gar nicht dazu. Ich bin aus eurer Sicht ein Ungläubiger. Mein Leben ist doch viel zu „weltlich“ für euch, da ich weder bete noch auf sonst eine Weise bemüht bin, mit einem Gott (an den ich eben nicht glaube) in Kontakt zu treten. Im Gegenteil: Man gab mir ständig das Gefühl, dass es schön ist, dass ich da bin - und dass der Austausch mit mir sehr geschätzt wird. Was für eine außergewöhnliche Erfahrung aus dem Alltag von Kirchenmitarbeitern, auch für mich, dachte ich. Was für eine einmalige Gelegenheit, dachte ich. Und dankte Jörg und den vielen anderen Menschen, die ich besser kennen lernen durfte, für diesen wunderbaren Einblick in fruchtbare Kirchenarbeit, wie ich sie bis dahin nicht gekannt hatte.
Allein: Es sollte keine Einmaligkeit bleiben. Bereits im vergangenen Winter rief mich Jörg Willerscheidt an, ob ich auch in diesem Jahr beim Pfingstival wieder meinen Workshop machen würde. Ich war überrascht, denn damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Schon weil ich bei meinem ersten Besuch, bei welchem mich Jörg auch zur ersten Podiumsdiskussion auf die Bühne bat, absolut keinen Hehl aus meiner Skepsis gegenüber den christlichen Praktiken des Glaubens gemacht hatte - und dabei bestimmt auch Dinge gesagt hatte, die einigen womöglich übel aufgestoßen waren. Ich fragte Jörg in aller Deutlichkeit: „Sag mal, willst du nur ein paar Tage mit mir als deinem guten Freund verbringen, oder willst du mich echt dabei haben, weil du findest, dass ich das Pfingstival bereichern kann? Und was sagen deine Kollegen dazu?“ Jörg winkte nur ab und meinte: „Ich möchte dich dabei haben, weil ich finde, dass du sehr gut in unser Team passt. Und weil es mir gefällt, was du den Jugendlichen mitgeben kannst.“
So kam es in diesem Jahr zu meiner zweiten Teilnahme, und vieles war noch viel schöner als 2022. Das liegt sicherlich an der fantastischen Location, dem Abenteuerdorf Wittgenstein, wo man als Gruppe tatsächlich 24/7 zusammen ist, wo der Austausch mit den Jugendlichen weit über die eigentlichen Workshops hinaus geht, wo man angenehme Übernachtungsmöglichkeiten in schönster Natur findet. Es liegt aber vor allem an den Menschen selbst: Als ich dort ankam, wurde ich begrüßt wie ein alter Bekannter, es schlug mir unheimlich viel Freude und Herzlichkeit entgegen. Mit Jörg hatte ich zuvor daran gearbeitet, meinen Workshop noch sinnstiftender zu gestalten. Ich war zudem überrascht wie viele ehrenamtliche Mitarbeiter*innen sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten bei den Workshops für die ca. 70 Jugendlichen aus den Dekanaten Hochsauerland-Ost und Waldeck engagierten und dass auch Angebote wie Klettern, Metalog, Kochen oder eine Lama-Wanderung Bausteine einer sinnvollen Firmvorbereitung sein können.
Mit jeder weiteren Stunde, die ich umgeben von all diesen zutiefst herzlichen Menschen verbrachte, verschwand dieses Außenseitergefühl, das auch beim zweiten Mal anfänglich noch da war, immer mehr. Diesmal hatte ich nicht nur den Eindruck, dass die Jugendlichen Spaß an meinem Workshop haben und ich ihnen vielleicht etwas vermitteln kann über die großen Fragen des Lebens. Diesmal hatte ich von Tag zu Tag mehr das Gefühl, dazu zu gehören - und dass meine so grundlegend andere Haltung zu Kirche und Glauben nicht nur akzeptiert, sondern respektiert wird. Es ist eine derart lebensnahe, warmherzige Form des Miteinanders, ja des Glaubens, wo eine Gemeinschaft sich nicht dadurch definiert, dass sie - salopp gesagt - möglichst viele Rosenkränze betet, sondern dadurch, was für ein Mensch du bist. Wie authentisch, nahbar und interessiert du bist. DASS du bist.
Auch bei der Gestaltung des Gottesdienstes, bei dem ich gemeinsam mit Bernhard Schrader und seiner Kollegin Astrid Lessing ein wenig Musik machte und an der Cahon die Lieder begleitete, die die Versammelten sangen, fand ich meinen Platz.
Am Ende des Wochenendes, bei der Verabschiedung, sagten sodann einige zu mir: „Bis zu nächsten Jahr, ich freue mich!“ Da hatte ich mit Jörg noch gar nicht über meine erneute Teilnahme gesprochen. Wie schön das ist: Ich gehöre jetzt dazu, obwohl ich doch im Grunde gar nicht dazu gehöre. Doch wie gesagt: Hier, in diesem Dekanat und bei diesem Pfingstival, spielt das keine Rolle. Weil es um den Menschen geht und um nichts anderes.
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